Zum Inhalt springen

Elternberatung

Elternberatung § 95 Abs. 1a AußStrG

Bedürfnisse, Gefühle und Konflikte der Kinder Die Eltern sollen im Hinblick auf das emotionale Erleben des Kindes darüber informiert werden, dass die Scheidung der Eltern: 

* bei Kindern immer das Erleben eines massiven Verlusts bedeutet (auch wenn in gewisser Hinsicht in der aktuellen Lebenssituation des Kindes eventuell eine Form von Entspannung eingetreten ist),
* einen schmerzlichen Einschnitt in die Lebenssituationen der Kinder bedeutet und immer eine Fülle von Gefühlen, Ängsten und Konflikten verursacht,
* Gefühle von Ohnmacht, Hilflosigkeit, Wut und Scham bei Kindern auslöst und
* Kinder mit Schuldgefühlen belastet, da sie davon ausgehen, dass „eigenes, kindliches Fehl-Verhalten“ der mögliche Grund für die Scheidung gewesen sein könnte, Ängste ausgelöst, den Elternteil – der eventuell weggeht oder nicht mehr so häufig da ist – (ganz) zu verlieren,Loyalitätskonflikte verursacht und Kinder versuchen, auf der einen und der anderen Seite jedes Elternteils zu stehen und den Vorstellungen des jeweiligen Elternteils zu entsprechen.

Erfahrungen, die Kinder brauchen und machen wollen

Wünsche, die das Bedürfnis nach bestimmten Beziehungserfahrungen ausdrücken. Dazu gehören der Wunsch (und das Recht),

* beide Eltern gleich lieb haben zu dürfen,
* Kontakt und Nähe zu beiden Elternteilen zu haben,
* keine Abwertungen und Beleidigungen über den anderen Elternteil zu hören und erfahren zu müssen,
* die Phantasie und die Hoffnung zu haben, dass (wider jede rationale Einschätzung) „eventuell, eines Tages, alles wieder gut werde“ und die Eltern wieder zusammenfinden,
* neue Partner der Eltern nicht sofort kennenlernnen zu müssen,
* neue Partner mögen und lieb haben zu dürfen und dabei aber auch den leiblichen Elternteil als das Einzigartige und Besondere beibehalten und Zeit mit ihm/ihr verbringen zu dürfen,
* nach Kontinuität und Aufrechterhaltung von Beziehungen und dem Kontakt zu Bezugspersonen, die für das Kind bedeutsam sind,
* die Vertrautheiten des Alltags, die Wohnsituation, Schule und Freunde behalten zu dürfen und
* wichtige Rituale des Alltages möglichst beibehalten zu können.

Reaktionen von Kindern und das Verstehen von Symptomen

Um die Scheidung der Eltern verarbeiten zu können, müssen Kinder auch die Möglichkeit haben, in allen Varianten trauern zu dürfen. Diese Trauerprozesse der Kinder sind gesunde Verarbeitungsprozesse zur Wiedererlangung des seelischen Gleichgewichts und mit dem Auftauchen von Symptomen und Reaktionen verbunden. Eltern sind in Kenntnis zu setzen, dass
* Reaktionen von Kindern auf die Scheidung und das Geschehen rund um die Trennung notwendige, gesunde „psychische Maßnahmen“ der Kinder sind, um das seelische Gleichgewicht wieder zu erlangen,
* die meisten dieser Reaktionen vom Kind nicht „bewusst gesteuert und initiiert“ sind, sondern als Ausdruck inner-psychischer Verarbeitungsprozesse verstanden werden müssen, um die erlebten Verluste bewältigen zu können,
* bei Kindern, die keine Auffälligkeiten, Reaktionen etc. zeigen, nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie durch die Trennung/Scheidung nicht belastet sind, und
* Kinder, die keine Reaktionen zeigen, von den Eltern ermutigt werden sollten, ihre Gefühle auszudrücken, um das Auftauchen von Symptomen (wie beispielsweise Gereiztheit, Aggressionen, erhöhte Traurigkeit, aber auch Einnässen, Schulversagen oder körperliche Symptome) als Form des Ausdrucks von inneren Spannungen verstanden werden kann.

Grundsätzlich muss darauf hingewiesen werden, dass Reaktionen, Symptome und Bedürfnisse der Kinder in Abhängigkeit von deren Alter ganz unterschiedlich sein können. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass

1. die schmerzlichen Erfahrungen rund um die Scheidung der
Eltern und all die damit verbundenen emotionalen Stürme
unvermeidbar sind.

2. diese bei allen Kindern, in jedem Alter auftreten und
grundsätzlich auch nicht verhindert werden können, von den
Eltern aber verstanden und gemildert werden können und

3. damit die Möglichkeit besteht, die Chancen, die in einer
Trennung liegen, zu nützen.

 

Haltungen, Konflikte und die Aufgaben von Eltern

Außerdem müssen Eltern darüber aufgeklärt sein, dass

* es im Hinblick auf die Bedürfnisse der Kinder sinnvoll ist, zwischen „der Ebene als Paar“ und der „Ebene als Eltern“ zu unterscheiden,
* die Scheidung dann eine Chance für Kinder bedeuten kann, wenn Eltern bereit sind, die von ihnen verursachte Krise auch annehmen zu können. Das bedeutet jedoch zu erkennen, dass
* viele sich trennende oder getrennte Eltern geradezu zwangsläufig in einen schwierigen Konflikt geraten: dass
einiges, was die Eltern aufgrund ihrer eigenen Krise, ihrer Kränkungen und Verletzungen und ihrer Angst, die Kinder an den anderen zu verlieren, brauchen würden, um selbst wieder ins Gleichgewicht zu kommen, im Widerspruch steht zu dem, was die Kinder in dieser Zeit brauchen. Typische Beispiele solcher Verhaltensweisen der Eltern: die Loyalität der Kinder sichern, Reduzierung des Kontaktes zum anderen Elternteil, weil die Kinder nach den Besuchen außer sich sind, in den Besuchszwischenzeiten vom anderen nichts hören oder gar reden müssen, die Ersetzung von Mutter oder Vater durch
neue Partner…,
* dieser Konflikt in der Regel bei allen Eltern in irgendeiner Weise besteht: Dass das, was mir (als Mutter/Vater) guttut, meinem Kind nicht guttut, ja es vielleicht sogar schädigt, gehört zu den schmerzlichsten Einsichten von Eltern, die
sich trennen/getrennt haben. Und es ist zweifellos als heroische Leistung anzuerkennen, wenn Eltern es schaffen, diesen Konflikt erstens nicht zu verleugnen und zweitens über den eigenen Schatten zu springen,
* es für Kinder in hohem Maß entlastend ist, wenn beide Elternteile – aktiv ansprechend – die Schuld und Verantwortung für die Krise und das Leid des Kindes übernehmen und in diesem Sinne darauf achten, was das Kind für eine entwicklungsförderliche Verarbeitung der Scheidung braucht (so können dem Kind die eigenen Schuldgefühle genommen werden),
* Kinder KEINE Schuld an der Trennung haben.

Elterliche Handlungen,

die für Kinder entlastend sind!

Für Kinder ist es hilfreich, wenn
* immer wieder dem Alter und der Befindlichkeit entsprechend, die Möglichkeit gegeben wird, über die Scheidung, die damit verbundenen Ereignisse, aber auch diesbezügliche Ursachen zu sprechen,
* die Wertschätzung und der Respekt vor dem anderen Elternteil gewahrt wird, da Loyalitätskonflikte sonst neuerlich geschürt werden,
* berücksichtigt wird, dass die Kontaktaufnahmen der Kinder mit dem anderen Elternteil einen verlässlichen Rahmen brauchen, innerhalb dessen Flexibilität für Sonderregelungen möglich ist,
* Kinder nicht als „Spione und Botschafter“ des jeweils anderen Elternteils gesehen und verwendet werden,
um Ängste und Konflikte der Kinder nicht zu verstärken,
* Kindern das Gefühl gegeben wird, mit ihren Problemen nicht allein zu sein,
* Kindern ihre Sorgen und Probleme zugestanden und ihre Anliegen ernst genommen werden,
* Zeit und Raum gegeben wird, um neue Partnerschaften der Eltern zu „begutachten“, wobei auch Distanz gezeigt werden darf,
* Kinder, die in Patchwork-Konstellationen leben, die Gewissheit haben, den leiblichen Elternteil nicht zu verlieren und diesen auf einzigartige Weise und besonders lieb haben zu dürfen,
* Kinder das Recht auf beide Eltern haben und
* Eltern sich fachliche Beratung und Unterstützung holen und somit jemanden haben, der ihnen dabei hilft, den Blick auf die Bedürfnisse der Kinder zu wahren.

Inhalte zur Gestaltung des familiären Alltags

Die inhaltlichen Richtlinien zur Gestaltung des Alltags sollen den Eltern Informationen darüber geben, in welcher Art und Weise in den „alltäglichen Dingen“ des Lebens Kinder unterstützt und entlastet werden können. Die im Folgenden genannten inhaltlichen Empfehlungen können als beispielhaft verstanden werden. Im Hinblick auf die Gestaltung des familiären Alltags, ist es für Eltern wichtig zu wissen, dass es für ihre Kinder unterstützend sein kann, wenn

* sie sich über die Besuchskontakte und wichtige Feste im Leben der Kinder einig sind,
* Eltern je nach Möglichkeit Schulfeste, Sport- und Freizeitaktivitäten der Kinder auch fallweise gemeinsam besuchen,
* Möglichkeiten zur spontanen Kontaktaufnahme „auf dem kurzen Weg“ (Telefon etc.) bestehen,
* sie sich für wichtige Belange des Kindes (bspw. Haustiere) gemeinsam engagieren und dem Kind auch auf diese Weise vermitteln, dass es ihnen wichtig ist,
* Kinder (egal welchen Alters) auch bei jedem Elternteil „Übergangsobjekte“ haben, also Dinge, die – weil sie für die Kinder von emotionaler Bedeutung sind oder den abwesenden Elternteil symbolisieren (z.B. Fotos) – als „Brückenbauer“ fungieren (zwischen den zwei verschiedenen Wohnorten) sowie
* akzeptiert wird, dass es für Kinder wichtig ist, bei Mama und Papa „zu Hause zu sein“ und die Wohnsituationen der Kinder danach ausgerichtet sind.